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HONIG (DE)

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Honig2018_875
Releases
The Last Thing The World Needs (2018)
 It’s Not A Hummingbird, It\’s Your Father’s Ghost (2014)
Empty Orchestra (2012)
Treehouse (2008)
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Auf dem vierten Album verknüpft der Songschreiber Stefan Honig gemeinsam mit seiner Band große Ensemblekunst mit somnambulem Indie-Pop. Songs wie die erste Single »Counterfeit Gallery« machen »The Last Thing The World Needs« zum bislang ambitioniertesten und meisterhaftesten Honig-Album.

Die Geschichte der Band Honig – ja, man kann inzwischen von einer Band sprechen, doch dazu später mehr – erzählt von einer großen Freundschaft und einem Bekenntnis zur Leidenschaft. Das neue und vierte Honig-Album »The Last Thing The World Needs« ist auf traumwandlerisch mitreißende Weise von Leichtigkeit, Melodieseligkeit und souveränem Selbstverständnis geprägt. Das wesentliche Merkmal großer Kunst – dass man ihr nämlich die viele Arbeit nicht anhört, die dahintersteckt – haben Honig verinnerlicht.

Wenn man sich den Werdegang des Bandleaders und Songschreibers Stefan Honig genauer ansieht, wird klar: Eine aus der tiefen Liebe zur Musik resultierende Beharrlichkeit war hier stets handlungsleitend. Nach dem Ende seiner damaligen Band beginnt Honig zu Beginn des neuen Jahrtausends eher aus einer Verlegenheit heraus, verstärkt Gitarre zu spielen und Songs zu schreiben. »Vorher habe ich nur gesungen«, sagt Honig, »die Entscheidung, solo weiterzumachen, war äußeren Umständen geschuldet.«

Eine gute Entscheidung war es dennoch: Bis heute hat Stefan Honig unter seinem Nachnamen drei überwiegend folkbasierte Platten veröffentlicht, von denen insbesondere das bislang letzte, »It’s Not a Hummingbird, It’s Your Father’s Ghost«, bereits deutlich von einem Ensemblegedanken geprägt war. Dieser wird nun auf dem vierten und neuen Honig-Album »The Last Thing The World Needs« so konsequent umgesetzt wie noch nie. Erstmals basieren die neuen Songs nicht auf Honigs Akustikgitarrenakkorden und -Kompositionen, sondern sie sind ein Produkt eines vitalen Ensembles, dessen Zentrum Honig freilich immer noch ist.

Bereits 2012 hatte Honig aus einer Verlegenheit heraus einige alte Freunde angerufen: Für einen Festivalauftritt beim Haldern Pop brauchte er eine Band, also dachte er zuerst an jene Jugendfreunde, mit denen er vor über 20 Jahren zuerst Musik gemacht hatte. Über die vergangenen Jahre konstituierte sich dann zunehmend das Line-up, welches nun auch hinter »The Last Thing The World Needs« steht: die Pianistin und Keyboarderin Olivia Sawano, der Gitarrist Martin Hannaford, der Bassist Felix Hornung, der Schlagzeuger Marcel Schmitz sowie Honig selbst als Sänger und Gitarrist. In dieser Besetzung wurde »The Last Thing The World Needs« in mehreren Schritten über einen anderthalbjährigen Prozess komponiert, getextet und schließlich überwiegend im Kölner Maarwegstudio 2 mit dem Produzenten David Schwager aufgenommen.

Das elegisch getragene »Avalanche« eröffnet ein Album, das einen im weiteren Verlauf wie ein elegischer Tagtraum in seinen Bann zieht. Honig gelingt hier ein aufgeräumter, durchaus kalifornisch inspirierter Indie-Pop, man denkt bisweilen an R.E.M., Tom Petty, Crowded House oder Conor Oberst. Songs wie das getragene »The Polyester Road« oder die zärtlich hingetupfte Ballade »It’s Never The Wrong Time To Sleep« mit ihren verspielten Pianopassagen sind ähnlich geschmackvoll arrangiert, wie wir das von den großen Indie-Ensembles unserer Tage kennen: The Arcade Fire, The Polyphonic Spree, Okkervil River.

Doch Schluss mit den Referenzen: Mehr als alles andere ist »The Last Thing The World Needs« immer noch durchdrungen von der großen Gabe des Sängers Stefan Honig zwischen Zuversicht und Zweifel, Emphase und Verzagtheit zu changieren und dabei noch für jeden Gefühlsausdruck die passende Intonation, das richtige Timbre zu finden.

Der Schlüssel ist Wahrhaftigkeit: Honigs Texte sind assoziativ versponnene Gebilde, die ihre Themen zwar lose aus dem Leben des Protagonisten beziehen, aber darüber zu universeller Bedeutung finden. Den Fehler, Gebrauchsanleitungen mitzuliefern, begeht er jedenfalls nicht. »Das schönste ist für mich immer wieder«, so Honig, »wenn die Leute meine Texte deuten. Durchaus sinnvoll und nachvollziehbar, aber mit meiner ursprünglichen Intention hat das meistens nicht das Geringste zu tun.« So muss es sein.

Honig selbst halten sich durchaus an ihre eigenen Ratschläge: »You shouldn’t treat every song the same«, singt Stefan in »Alone At The Party« und tatsächlich liegt die große Kunst dieses Albums in seiner Diversität, welche im Gesamtbild wiederum zu maximaler Dichte und Homogenität führt. Bei dieser Band kein Wiederspruch: »Alone At The Party« durchläuft mehrere Stadien, findet über einen opulenten Mittelteil zurück in eine meditative Strophe, nur begleitet von Akustikgitarren, ehe die Band sich mit Verve in einen überlebensgroßen Refrain schmeißt.

Ein Rad greift ins andere, alles fließt ineinander: Die erste Single „Counterfeit Gallery“ ist mit Handclaps und verschachtelten Gitarrenfiguren ein dynamisch perfekt ausbalancierter Überhit, der mühelos über einen staubtrockenen, maximal tanzbaren Groove zu einem überlebensgroßen Hymnus anwächst. Oder die zweite Single „Boulders“: Immer wieder errichten Honig gewaltige Klanggebilde, lassen sie explodieren, finden über introspektive Passagen zu strahlenden Refrains und wieder zurück, alles ist hier ständig in Bewegung und überall ist die Leidenschaft dieser Band zu spüren, die noch jeden einzelnen Ton auf »The Last Thing The World Needs« aus Überzeugung und Liebe schöpft.

All das und noch viel mehr bringt nun der ironisch konnotierte Albumtitel auf den Punkt: »The Last Thing The World Needs«. »Es geht immer auch um Widersprüche«, sagt Honig. »Die Tatsache, dass wir uns nicht so wahnsinnig ernst nehmen, steht zum Beispiel im Kontrast zu der aufopfernden Arbeit, die wir in dieses Album gesteckt haben.« Honig spenden Trost auf die denkbar aufrichtigste Weise: Ohne Kitsch, die Unwägbarkeiten des Lebens kennend.

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