Als wären Ezra Furman’s letzte Single ‘Restless Year’ und das zugehörige Animierte Video nicht Beweis genug gewesen für seine Brillianz, so liefert jetzt Perpetual Motion People, sein erstes Album für Bella Union eine Kaskade einprägsam widerborstiger Hooks. Getrieben von originell eingewobenen zeitlosen Einflüssen, vorgetragen mit einer rastlosen Dringlichkeit und einem Kampfgeist, der durch Gesang und Texte des US-Amerikaners schimmert. Es hat lange gedauert bis er sich im öffentlchgen Bewusstsein einnisten konnte, aber jetzt ist Furman’s Zeit zweifellos gekommen. Jetzt steht er endlich einem erwartungsvollen Publikum gegenüber, das dem nächsten Schritt seines spannenden künstlerischen Ansatzes entgegenfiebert, auf der Bühne wie auf in Tonaufnahmen.
Das Album hat er mit seiner aktuellen Band The Boyfriends (Jorgen Jorgensen (Bass), Ben Joseph (Keyboards, Gitarre), Sam Durkes (Drums) und Saxophonist Tim Sandusky) aufgenommen in Sandusky’s Studio ‘Ballistico’ in Chicago (im Moment lebt er in San Francisco). Sandusky hatte bereits Furman’s letzte beiden Alben The Year of No Returning und Day Of The Dog aufgenommen.“ Tim versteht genau was an meinen Songs gut ist, sein könnte und wie man eine Platte aufnimmt,” bekennt Furman. “Jedes Album das wir zusammen aufnehmen, bringt uns jedenfalls ein Stück weiter.”
Perpetual Motion People startet mit ‘Restless Year’, für ‘Consequence Of Sound’ “geballte Energie, die munter über Genre Grenzen hüpft. Sie hat die Rebellion von ’90s Indie Rock, eine Prise sonnigem ’80s Pop, und die Grimmigkeit von Siebzigerjahrepunk.”
“Im Allgemeinen sind die ersten Zeilen meiner Platten ganz grundsätzliche Statements,” sagt Furman. “Jedes Jahr war seitdem rastlos, und das sowohl körperlich und noch mehr innerlich.”
Daher auch der Titel ‘Perpetual Motion People’, “Von solchen Menschen wurde die Platte gemacht, und an solche richtet sie sich auch. Menschen, die das Gefühl haben, niemals zur Ruhe zu kommen. Ich bin ja in vielerlei Hinsicht unstet. Ich bleibe nirgendwo lange und zeige mein Mannsein immer anders. Meine Religiosität kennt intensive Hochs und Tiefs. Wahrheit habe ich immer als etwas Elastisches, schwer Greifbares gesehen. Und genau davon handeln auch meine Songs. Ein verwunschener Kopf, eine Gesellschaft der ich nicht zugehören kann, Liebhaber die ständig auf dem Sprung sind. Die zentrale Vorstellung ist der Flüchtige oder Ausbrecher, in einem Unterschlupf inmitten einer feindlichen oder entfremdeten Welt.”
“Ein anderer Aspekt ist das Gefühl einer sich ausdehnenden Kraft, raumgreifender Gefühle, von Freude bis Schwerz. Manche denken, das Leben wäre klein und begrenzt. Aber für mich ist es eher groß und man könnte sagen, dass jeder Song eine Aussage hat, und sich für enorm groß erklärt. Ich möchte auch versuchen etwas zu schaffen, dem viele Menschen zuhören, nachdem Day Of The Dog ein etwas breitere Aufmerksamkeit erfahren hat.”
Es war genau dieser Mangel an breiterer Aufmerksamkeit, nach fast einer Dekade von Veröffentlichungen, die den Titel Day Of The Dog inspiriert haben, “Weil ich das Gefühl hatte, dass dieses Patte gut genug war, dass man auf sie aufmerksam würde.” erklärt Furman. “Ehrlich gesagt, ich hätte alles drangegeben, wenn es nicht geklickt hätte, angesichts der Tatsache, dass mir die Platte so am Herzen lag und sie keine einzige falsche Note enthielt.”
Zum Glück kam das Album so gut an, mit fünf Sternen vom The Guardian sowohl für Album und Konzert. In seiner uneitlen Art kommentiert Furman seinen Durchbruch in ‘Lousy Connection’ [“I've got the world's ear, I'm all fucking mumbles/ I guess I'm just another link in a chain”] und bedient sich dabei musikalisch beim seinem Lieblingsstil, dem ‘Doo-wop der Fünfziger Jahre (“Ich stehe einfach auf diese tiefen bassigen Stimmen, diese Nonsens Comic-Texten, wie “Sham-a lama”, die sich aber geradezu in meinen Kopf winden”) dazu Sandusky’s furzendes Saxofon. “Ich will mir aber nicht zuviel darauf einbilden,” seufzt Furman. “Ruhm kommt und geht auch wieder. Ich habe immer noch denselben Job, nämlich etwas sehr gut zu machen.”
Was das betrifft, hat er einen guten Job gemacht, wenn er vom kraftvollen jubilierenden ‘Hark! To The Music’ zum sehnsüchtigen Herzschmerz von ‘Ordinary Life’ umschaltet, von dem knarzigen Power-Pop in ‘Tip Of The Match’ zum selbstzerfleischenden Country Blues von ‘One Day I Will Sin No More’. Furman ist ein wahres Original das sich musikalischer Methoden bedient, die andere nie kannten, oder für die ihnen der Mumm fehlt. “Es gibt kaum eine Szene, bei der ich nicht dabei sein wollte,” gibt er freimütig zu. “Ich höre nur einfach nirgendwo das andere, vom dem ich mir wünschen würde, dass es es gäbe. Also ist mein Ziel, es selbst zu schaffen.”
Ohne also einen einzelnen Track herauszuheben zu wollen, nachdem ihm alle gleich lieb sind, gibt Furman zu, dass ‘Ordinary Life’ “ein Konzept ist, das ich seit langer Zeit schon auszprobieren will.” Er zitiert den transgenderen US-amerikanischen Autor, Dramatiker, Schauspieler und Gender-Theoretiker Kate Bornstein: “Sie hat lange mit Depression und Selbstmordgedanken gekämpft, und so sagte sie: ‘Tu alles was du tun must um dein Leben lebenswert zu machen, brich das Gesetz, lauf von zu Hause weg, vernichte deinen Besitz, aber sei nicht schlecht zu Menschen.’ Ich treffe eine Menge Fans in Not die leiden. Auch ich fühle mich oft verzweifelt und will dann unbedingt Leute an den Schultern packen, sie schütteln und ihnen etwas erklären. Nur weiß ich nicht genau, was.”
Das von Saxophon, Gitarre und Handclaps getriebene ‘Body Was Made’ folgt einer ähnlichen Vorstellung von Selbstbestimmung über sein eigenes Geschlecht und Denken: “Your body is yours at the end of the day / And don’t let the hateful try and take it away / We want to be free, yeah we go our own way and my body was made.”
‘Wobbly’ unterstreicht die Botschaft dass, “diese Welt aus Kategorien und Beschränkungen nur wenig mit mir selbst zu tun,” erklärt Furman. “Kein Leben hat eine Vorlage, und deshalb gibt es keinen Plan in den man hinein passen könnte. Niemand lässt sich kategorisieren.”
Das gilt auch für Perpetual Motion People, in der Kategorie ‘Great Albums of 2015′, mit ihren Dosen von Verzweiflung und großer Lebenslust, unwiderstehlicher Melodie und ungezügelter Energie. Und schließlich besteht Furman darauf, dass ein Leben in ständiger Bewegung eine “gute Existenzform ist. Wenn man niemals fest verwurzelt, wenn man sich nicht langweilt, und die Welt immer neu ist. Das kann einem Menschen Schmerz verursachen, aber scheinbar ist es die Sache wert und wahrscheinlich die einzige Art zu leben, die ich kenne.”