Nun auch mal noch mein Senf zu allem:
Zu allererst muss ich erwähnen, dass ich nach einem Tauchgang kurz vor dem Festival wohl mal besser nicht im Ohr rumgepult hätte, weil ich mir dadurch wahrscheinlich meinen Gehörgang etwas verstopft habe (am Montag habe ich dann endlich mal einen Arzttermin dafür...). Dadurch habe ich dooferweise alles etwas dumpfer gehört als normal und mein Klangerlebnis war daher leider etwas eingeschränkt. Damn. Nie wieder Tauchen vor einem Festival
Kritik darf natürlich nicht fehlen. Wie immer aber auf sehr hohem Niveau:
Ein bisschen hatte es mich am ersten Festivaltag gewundert, dass so viel Matsch war. Viel war ja nicht erst durch die Zuschauer entstanden, sondern schon durch die Aufbaumaßnahmen. Umso besser dann die Nachbesserung am nächsten Tag mit dem Rindenmulch. Zumal das ja auch wieder was kostet in der Menge...
Ein bisschen Verbesserungspotential gibt es nach wie vor in der Kommunikation. Dass die Absage von Mick Flannery beim Liedgut bekanntgegeben wird, aber erst sehr viel später in der App ohne Info das Line-Up enstprechend abgeändert wird oder dass Just Mustard ausfällt etc. könnte noch etwas besser laufen. Aber gut, die Macher werden auch so genug Stress haben. Immer noch besser als früher, wo man ins Dorf gelaufen ist, um an einer Tafel zu sehen, dass die Band in der Pop Bar ausfällt und man dadurch auch noch den Gig im Spiegelzelt verpasst, den man als Alternative gerne gesehen hätte^^
Niederrhein-Zelt war ganz schick, könnte aber noch eine Nummer größer sein, wenn's geht. Es standen doch schon ziemlich viele Leute draußen, wo man vor allem schlecht was sieht. Finde es auch irgendwie ein wenig merkwürdig, wenn ein Konzertraum breiter ist als lang^^
Von den Headlinern hatte ich mir ein wenig mehr erhofft zum 40. Mit Tom Odell, Glen Hansard und Bear's Den drei Altbekannte, von denen meiner Meinung nach zwei schon ihre besten Zeiten hatten und wo ich die neuen Sachen nicht mehr so gut finde. Sowas hat für mich immer etwas "aufgewärmtes". Obwohl Tom Odell (der Einzige, den ich davon ganz verpasst habe) schon gut gerockt zu haben scheint, was ich so aus der Ferne wahrgenommen habe. Hätte ich mir vielleicht doch nochmal anschauen sollen.
Ansonsten war das Festival wieder super organisiert, trotz Matsch und Ohrproblemen war es wieder eine Freude, da gewesen zu sein
Und das Line-Up war alles in allem wirklich klasse!
Ich habe eine relativ eindeutige Top3, auch in der Reihenfolge:
- Low Cut Connie: Was für eine energetische Show mit unfassbaren Rampensäuen allesamt. Trotz sehr später Stunde war ich zu keiner Sekunde müde (ok, andere dagegen hatten es mit genug Alk allerdings geschafft). Einfach Hammer!
- Sylvie Kreusch: Diese Musik hat einfach etwas ganz Besonderes. Das war einfach ein Auftritt, der mich sowohl richtig gepackt als auch berührt hat. Ganz große klasse!
- Susan O'Neill: Ihre Songs und ihre Stimme haben einfach was. Wirklich großartig. Leider nur in der Kirche gesehen und habe mich etwas geärgert, dass ich sie später nicht nochmal angeschaut habe. Hatte aber auch nicht erwartet, dass sie noch mit Band auftritt wegen Mick Flannery's Absage.
Daneben gab es noch eine ganze Reihe anderer toller Auftritte, die ich mal nicht in Reihenfolge erwähne:
- Get Jealous: Das war ein ganz starker Start in das Festival mit Gesang von der Theke, Crowdsurfing, Moshpit und "Wall of Death" in der Pop Bar
- Anushka Chkeidze: Habe ich so nicht erwartet, hat aber echt Spaß gemacht beim Niederrhein-Zelt. Sie hat ihre Freude an ihrer Musik sehr gut auf's Publikum übertragen.
- Divorce: Einfach ein toller Auftritt mit viel Spielfreude und tollen Melodien.
- The Joy Hotel: Hat mir sehr gut gefallen. Dass 5 Gitarren gleichzeitig spielen, hat man auch nicht alle Tage. Und die haben daraus einen tollen Klangteppich gezaubert.
- Katy J Pearson: Streitet sich mit Divorce und Sylvie Kreusch um den Titel "schönste Melodien des Festivals".
- Lily Moore: Hätte ich gern mit Band gesehen. Das hätte sicher noch ein bisschen mehr Pepp gehabt. In der Zweier-Formation hätte sie auch gut in die Kirche gepasst. Ansonsten echt tolle Stimme.
- Frankie and the Witch Fingers: Da fehlt zwar noch das gewisse Etwas, was eine vergleichbare Band wie King Gizzard mitbringt, aber hat trotzdem viel gute Laune gebracht.
- Hamish Hawk: War ein toller mit Inbrunst vorgetragener und sympathischer Auftritt.
Daneben gab es auch noch andere gute Auftritte von Dylan Cartlidge, Wendy McNeill, Brockhoff, Leoniden, Panic Shack, Courting, Willie J Healey, Lanterns on the Lake, etc. und ein paar, die ich "nur" ganz ok fand.
Am meisten enttäuscht war ich bei The Mysterines. Die Songs haben eigentlich so viel Wucht, da war beim Auftritt leider gar nichts davon zu spüren. Eigentlich einer meiner vorherigern Highlights gewesen. Auch etwas enttäuschend: Sorry. Der etwas schräge Gesang gehört zwar zum Stil, aber manchmal war es ganz schlimm und sie kann es einfach nicht besser. Wenn die noch etwas besser singen würde, würde das alles deutlich aufwerten. Weil die wirklich gute Songs schreiben. Bei den "Staples Jr Singers" hat mich etwas das Publikum und die Akustik in der Kirche gestört. Würde ich sehr gern in einer amerikanischen Holzkirche anschauen, wo die Leute auch mit abgehen. So etwas ist man in deutschen Kirchen halt nicht gewohnt mit aufstehen und tanzen in der Kirche. Auch, wenn es schlussendlich doch noch geklappt hat beim Konzert.
Sicher habe ich auch noch etwas verpasst, was sich gelohnt hätte, anzuschauen, aber so ist das.
Auch wieder erstaunlich, dass Musik wie die von Hania Rani auf der Hauptbühne funktioniert, das Publikum verweilt und ruhig ist (auch, wenn erst einmal ein *Ssccchhhh* durch das Publikum gehen musste und die Leute von der Steenofen-Pizza anscheinend drauf hingewiesen werden mussten, ihre Unz-Unz-Mucke auszumachen --> das fand ich ziemlich respektlos von denen. Die Pizza am Donnerstag war auch die zweitwiderlichste, die ich je gegessen habe. Da waren die mal deutlich besser. Am Samstag sah die Pizza zumindest schonmal besser aus, probiert hatte ich sie aber nicht nochmal
).
Das mit der Jugend ist mir/uns auch aufgefallen. Ich denke, es ist weniger ein Problem des Haldern Pop, sondern ein allgemeines. Trägheit nach Corona plus Geldmangel seit Ukraine-Krieg. Vor Corona war immer genug Jugend da. Vielleicht liegt es auch ein wenig an der Musik. Früher gab es Brit-Pop, der nach Deutschland rübergeschwappt ist und alle mitgerissen hat. Heute gibt es Post-Punk aus UK, der für die dortige Jugend aufgrund von Brexit etc. der Hype ist, der allerdings nicht ganz so rüberschwappt, zumal es auch in Deutschland mittlerweile eine ganz gute Bandszene gibt. Allerdings muss man da jetzt das Line-Up nicht auf Krampf daran anpassen. Es gab auch dieses Jahr wieder einige deutsche Acts und mit Brockhoff und Leoniden jugendtaugliches. Auch andere Bands haben Themen angesprochen bzw. besungen, die für die junge Generation wichtig sind. Ich hoffe aber sehr, dass sich das wieder bessert und dem Haldern der Nachwuchs nicht ausgehen wird.
So, das war's von mir. Klingt wieder viel recht kritisch, aber wie gesagt: Auf ganz hohem Niveau die Kritik. Für den Perfektionisten