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Haldern Pop Tagebuch II – Tag 1 Paul Frühling

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Haldern Pop Tagebuch II – Tag 1
2. November 2020

Paul Frühling

Kinder, alle mal bitte rein kommen.

Hollywood manifestiert das Ideal, dramatisiert den einen großen Traum und der Rest soll wissen, was oben und unten ist. Amerika, das Land der fantastischen Geschichten. Diesem wunderbaren Land und seinen Menschen drücken wir in diesen Tagen ganz feste die Daumen. Das Wort klein wird an Bedeutung gewinnen, auch bei uns, ohne Drama aber vor jeder Tür.

Wir waren vor kurzem im Erzgebirge, um von unserem Dorf zu erzählen, von euch und dem Umstand, dass das Leben in kleineren Einheiten, mit sichtbaren Ufern, unglaublichen Tiefen und klirrenden Höhen, ein besonderes sein kann. Den Dörfern und Landstrichen, von Ökonomen auch gerne “die Fläche” genannt, wird der Hof gemacht. In der Provinz scheint etwas vergraben, was vielleicht die Zügigkeit der Zeit übersehen oder überfahren hat. Jetzt wird wieder gesucht, besucht und in das Innere der Dörfer geschaut. Es ist viel Platz, viel weißes Papier, eine nervöse Gegenwart sucht für die Zukunft. Manchen kommen diese Orte bekannt vor, andere glauben, damals nichts übersehen zu haben. Es war die Angst der Vorfahren, die diese Plätze schufen, erst einen dann drei, irgendwann hörten sie auf zu wachsen und einige zogen weiter, dem größeren Feuer auf der Spur. Manche Fähigkeiten kann sich ein Dorf nicht leisten, dann schaut man anderswo. Der Vorletzte passt auf den Letzten auf. Das Licht brennt solange die Busse fahren, die Masten senden und die Dörfer ineinander übergehen, sich mit Eigenart verschränken und geduldig und streitbar bleiben. Die Hörsäle dürfen auch mal die Theke, Umkleidekabine oder der Stammtisch sein. Ob kopflos, einarmig oder mit Abitur, die Beobachtung bleibt selten ohne Erkenntnis, nicht jede Zusammenkunft ist ergebnisorientiert, es bleibt was hängen. Wir erheben es zu einer Wissenschaft und die Politik fahndet nach Erkenntnis, warum das so ist, an einem regnerischen Tag in Flöha, nahe Augustusburg. Wir ahnen die Renaissance von „klein“. Ein seltsamer Ausflug, ein guter auf der Suche nach den Gründen.

Weil man uns immer öfter fragt, wie das so bei uns im Dorf denn ist, erzählen wir gerne von den dörflichen Figuren und Dingen, geben ihnen einen Namen und feiern dann weit von Zuhause gedanklich Schützenfest, berichten von unseren Höfen, Tieren, der Pop Bar und anderen Allgemeinplätzen, von unserem täglichen Leben. Wir reden über Paul Frühling, einem begeisterten Schützen, der ab und an auch gerne mal König ist, Kinder hat, weil er selbst mal eines war und es regelmäßig gerne wieder zum Vorschein bringt. Er liebt das Handwerk und die Geselligkeit, die Reihenfolge ist flexibel und wenn es mal Ernst wird, wohnt dieser auch nur drei Türen weiter. Paul weiß genau, wann der Tag reif ist, um ihn zu belohnen. Er schenkt der Kirchengemeinde eine Stunde die Woche, dem Ehrenamt den Rest von dem, was Existenz und Geselligkeit übrig lassen. Paul glaubt, dass die Mitte des Dorfes es besser weiss, Geschichten werden nicht „schlecht“, wenn man sie zügig weitererzählt. Gute Erzählungen leben um die Ecke, sprühen vor nicht lebensbedrohender Schadenfreude und verabschieden sich meist mit einem, „hätte ich nie gedacht“. Paul Frühling ist ein traditionsbewusster Genussmensch und fleißig noch dazu, verheiratet mit Svetlana Frühling, geb. Rebrov, mehr zu ihr später. Es ist oft auch eine Welt der verkehrten Wahrnehmung, dass das, was man selber von sich glaubt, selten auch die anderen über einen denken – und das teilt man sich zum Glück mit vielen, auf dem Land. Der Fleiß ist eine Währung und normal zu sein, eine Auszeichnung, da kann man sich drauf verlassen. Paul ist auch mal faul, gerne fleißig und am aller liebsten unter Leuten. Scheitern war für ihn immer eine Option, schließlich hat die Woche 7 Tage und noch mehr der Monat, am Ende ist Weihnachten, Feierabend. Wir stellen in den kommenden 31 Tagen mal alle Typen und Dinge vor, von denen wir gerne erzählen, wenn wir woanders sind, aber Zuhause fühlen. /StR

Zeichnung & Kolorierung: Christoph & Stefan Reichmann

 

 

Haldern Pop Diary Vol. II – Day 1
2. November 2020

Paul Frühling

Children, please come in.

Hollywood manifests the ideal, dramatizes the one big dream and the rest should know what is up and what is down. America, the land of fantastic stories. We are keeping our fingers crossed for this wonderful country and its people these days. The word small will gain in importance, also with us, without drama but at every door.

We recently were in the Erzgebirge to tell about our village, about you and the fact that life in smaller units, with visible shores, incredible depths and clanking heights, can be a special one. The villages and areas of land, which economists also like to call “the area”, are being courted. Something seems to be buried in the province, something that has perhaps overlooked or overrun the speed of time. Now the search is on again, visits are being made and the interior of the villages is being looked at. There is a lot of space, a lot of white paper, a nervous present is searching for the future. For some, these places seem familiar, others believe that they have not overlooked anything at that time. It was the fear of the ancestors who created these places, first one, then three, at some point they stopped growing and some moved on, on the trail of a greater fire. Some abilities a village cannot afford, then you look elsewhere. The second to last looks after the last. The light burns as long as the buses are running, the masts are transmitting and the villages are merging into each other, interlocking with peculiarities and remaining patient and quarrelsome. The lecture halls may also be bars, changing rooms or regulars’ tables. Whether headless, one-armed or with a high school diploma, observation rarely remains without insight, not every meeting is result-oriented, something sticks. We elevate it to a science and politics searches for knowledge of why it is like that, on a rainy day in Flöha, near Augustusburg. We suspect the renaissance of “small”. A strange excursion, a good one in search of the reasons.

Because people ask us more and more often how it is like in our village, we like to tell about the village characters and things, give them a name and then celebrate a shooting match far away from home, tell about our farms, animals, the Pop Bar and other commonplaces, about our daily life. We talk about Paul Frühling, an enthusiastic marksman, who sometimes likes to be king, has children because he used to be one himself and likes to bring it out again regularly. He loves the craft and the sociability, the order is flexible and when things get serious, he lives only three doors away. Paul knows exactly when the day is ripe to reward him. He gives one hour a week to the church community, and with voluntary work he spends whatever existence and conviviality leave behind. Paul believes that the center of the village knows better, stories don’t get “bad” if you tell them quickly. Good stories live around the corner, sparkle with non-life-threatening malicious joy and usually say goodbye with an “I never thought I would”. Paul Frühling is a tradition-conscious bon vivant and, on top of that, a hard-working one, married to Svetlana Frühling, née Rebrov, but more about her later. It is often a case of misperception, that what you believe about yourself, is also what the others think about you – and fortunately you share this with many, in the countryside. Diligence is a currency and being normal, a distinction, you can rely on it. Paul is also lazy, likes to work hard and loves to be around people. Failure was always an option for him, after all, the week has 7 days and the month has even more, at the end is Christmas, call it a day. Over the next 31 days we will introduce all the types and things we like to talk about when we are somewhere else but feel at home. /StR

Sketch & colouring: Christoph & Stefan Reichmann

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